Jans Kolumne
Go, Paco!

Paco Vallejo hat mich reingelegt. Bei unserem Training im Dezember haben wir noch um die Wette gejammert, wer denn schlechter in Form ist. Ich hab meinen Worten wenigstens Taten folgen lassen, er dagegen rockt beim italienischen Traditionsturnier in Reggio Emilia das Feld und liegt nach vier gespielten Runden mit 3.5/4 als einziger Spieler im Plus. Ich will ihn nicht jinxen, indem wir ihn hier feiern, bevor das Turnier gelaufen ist, aber respec!
Direkt schlecht ist das Turnier nämlich nicht besetzt, Ivanchuk, Gashimov, Morozevich (!), Movsesian, Navara, Caruana, Short, Godena. Kann mich nicht erinnern, wann ich Morozevich zuletzt in einem Turnier gesehen hab, auch keinen Plan, was er so macht, hat immer einen leicht mysteriösen Touch, selbst meine gewöhnlich gut informierten russische Quelle weiß es nicht so genau. Trainer in Qatar oder so was? Wie auch immer, unterhaltsam spielt er immer, bisher stehen 2/4 zu Buche, heute ein glatter Theoriesieg gegen Navara im Halbslawen:
Morozevich - Navara
- Stellung nach 30.Tbd1
Hab gerade meine Datei zu dieser Variante gecheckt, vor Dortmund 2008 habe ich den Kram vorbereitet und später in Leko-Diensten vertieft. Diese Stellung aus der heutigen Partie steht noch drin, hier bricht es mit += ab. Nach 30...La5? (Lf6 ist zäher) 31.Td6! Sf6 32.Ld1 +- hatte Morozevich einen geruhsamen Arbeitstag.
Ivanchuk scheint eines seiner Remisturniere einzulegen, im nächsten gewinnt er wahrscheinlich wieder alles.
Für die Highlights ist bisher hauptsächlich Short zuständig, der seiner Londonder Marschroute, mit einer möglichst raren Nebenvariante möglichst schnell einen Mattangriff gegen seinen König heraufzubeschwören, treu geblieben ist. In den ersten beiden Runden klappte dies, gegen Gashimov und eben Morozevich kam er zwar massiv unter Beschuss, konnte aber jeweils dem Angriff standhalten und gar den vollen Punkt holen. Spektakulär hätte Morozevich in dieser Stellung gewinnen können:
Short - Morozevich
- Stellung nach 23.Sd1
Die Engines votieren energisch für 23...Se4!! 24.dxe4 Txf3!! 25.gxf3 Ta1+ 26.Kd2 Qd4 27.Kc2 b3+ 28.Kxb3 Dc4 matt. Auch nach 23...Lg4 blieb Schwarz am Drücker, aber... 1-0 (44)
Danach sollte es Nigel aber gegen Caruana und Vallejo zweimal erwischen. Vermutlich von obiger Partie inspiriert, griff auch Paco zu Französisch,erneut sollte die Eröffnung ein schwarzer Erfolg werden:
Short - Vallejo
- Stellung nach 18.Sed4
Th3, Db1, Ta1, das kann nicht gut gehen. Und wirklich:
18...fxe5! 19.Sxc6 e4! bxc6 war auch nicht schlecht, aber nach dem Textzug geht es Weiß direkt ans Leder 20. Sce5 Txf4 21.Sh2 Df5 fängt den Springer auf e5, kein alltäglicher Anblick. Nach 22.Seg4 Txf1+! 23. Sxf1 Dxg4 war es ein Spiel auf ein Tor, die schwarze Bauernwalze im Zentrum begab sich bis nach e2, e4 und d4. 0-1 (39)
Bevor ein falscher Eindruck entsteht, möchte ich betonen, dass ich ein großer Fan von Nigels Schachverständnis, seinen Entartainerqualitäten und seiner Skills als Glücksbringer bin. In Wijk 2008 verlor Smeets nur zwei Partien, an den einzigen zwei Tagen, an denen Short nicht beim Frühstück auftauchte. Gegen Ende des Turniers gehörte es zu meinem Job als Sekundant, ihn um 10:00 anzurufen und zu beknien, sich zu uns zu gesellen, um uns die Feinheiten der englischen Sprache und der Kontaktaufnahme mit Schachspielerinnen zu erläutern.
Hab den guten Rat natürlich an Paco weitergegeben, aber bisher läufts ja auch ohne Talisman.
Vamos, Vallej!
- Datum: 02.01.2011
- Autor:
- Tags: reggio emilia | vallejo | morozevich | short
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Moros letztes Turnier war wohl Pamplona im Sommer 2010, wo er zwar gut gestartet hat, dann aber von Wojtaszek gestoppt wurde und am Ende so ziemlich abgebaut hat.
Und letztens hab ich irgendwo gelesen, dass er Zhu Chen bei der Frauen-WM betreut hat..?
danke.kam ja prompt.hoffen wir das beste für die nächsten runden.im übrigen glaube ich,dass chucky experimentiert.teilweise seltsame eröffnungen.
ps
serientipp für jan
es lohnt sich mal in die alten "becker" folgen reinzuschauen.
Short-Fan bin ich spätestens seit London und dem Genuss seiner Interviews nach den Runden. Der Mann ist der verkörperter englische Humor in Reinform, und gut schachspielen kann er auch!
Gut, schon leicht ausrechenbar, wenn man weiß dass er IMMER gleich direkt den Königsangriff im Auge hat, aber Spaß machen seine Partien immer, ihm wohl auch, also mal hoffen, dass er noch laaange im Schachzirkus bleiben wird :)
Tja, und Morozevich - eine Kramnik-Knetstellung wird er wohl erst auf dem Brett haben, wenn er tot ist ;)
In seinem nächsten Turnier sollte Ivanchuk schon (fast) alles gewinnen, das ist meines Wissens das Gibraltar Open - Jan ist also gewarnt falls er wieder spontan dem deutschen Winter entfliehen will ... .
Zu Short-Vallejo: Th3 war vielleicht noch OK aber Db1 dann zuviel - zumindest wenn man es mit einer Vorgängerpartie vergleicht in der schwarze Opfer letztendlich nicht ausreichend waren: Anand-Shirov, 4. Partie WM Teheran 2000. Wo genau spielte Anand besser als Short, und/oder Vallejo besser als Shirov?
Und heute sammelt Moro den nächsten Punkt gegen Paco ein? Oder welche Traumkombi packt der Spanier nach dem 16. Zug aus? Dxg3 wäre zu einfach..
Ich gebe zu, dass ich in der Variante zwischen Paco und Moro mal so GAR keine Ahnung habe (ist komplex genug *lach*) und auch keine aktuelle Datenbank gerade am Start, weswegen meine nächste Frage hoffentlich nicht als "ach, das weiß doch jeder, nur du nicht" abgetan wird:
Mich wunderte es, dass Vallejo nicht 17.Sb3 spielte.
Verhindert Dxg3, ebenso wie Dc5, auf Da4 wirkt Dc3 mit Blick nach g7 und c8 recht unangenehm, und auf anschließendes Dd7 folgt 0-0, und der schwarze König wird lange stricken müssen, bis er irgendwo sicher steht.
Die Partiefortsetzung jedenfalls ließ nur Schwarz auf einen Punkt hoffen ...
Ich bin auch kein (Najdorf-)Experte, aber ich vermute dass die Partiefortsetzung 17.Se6: eine bewusste Remisabwicklung war. Schwarz hatte nicht wirklich Gewinnchancen: den einen Bauern bekommt Weiss forciert zurück (auf 23.-b5 kommt 24.a4) und der andere ist ein relativ wertloser Doppelbauer.
Das passiert mitunter in scharfen Sizi-Varianten: Verwicklungen und dann ein Remisendspiel, zum Beispiel auch in Gashimov-Grischuk, Linares 2010
http://www.chessgames.com/perl/chessgame?gid=1573246
Paco schreibt auf seinem twitter-account, dass er in der Eröffnung sehr viel Zeit verballert und nichts Klares gesehen hat, daher hat er die Stellung mit 17.Sxe6 "ausgetrocknet". Ich hab kurz 23...Sc6 angeguckt, aber das Bauernendspiel nach 24.Txb7 ist Remis.
Jep, just an jener Stelle tauchte er zeitmäßig lange ab. Darum dann ja auch die eigenen Gedanken dazu ohne Kenntnis der Theorie, selber denken hilft ja auch manchmal zur Verbesserung der Spielstärke ;)
Achja, das zweite Turnierdrittel gehört schlagzeilenmäßig nun wohl Iwantschuk ...
http://videos.arte.tv/de/videos/durch_die_nacht_mit_-3619996.html
tipp:mit kasparov unterwegs.
Ivapatzer, der Beitrag auf Arte war recht gut. Allerdings ging es nur am Rande um Schach, sondern mehr um zu erwartende Entwicklungen in Wirtschaft und Politik, um Humanitäres und Technologie.
Mich hätte interessiert, ob Thiel und Kasparov nur "Freunde" sind oder ob sie gemeinsam an etwas arbeiten.
Ich habs so verstanden, dass sie gemeinsam das Buch schreiben, das in Frage stellt, dass es noch technologische Neuheiten gibt.
ok, das stimmt.
Das war ja so ein Punkt: Technologie sollte eigentlich viel rasanter vorangehen...das war ja der Tenor im 1. Teil ihres Gesprächs,
Diesen Glaube an den Retter Technologie, den würde ich mir gerne näher erläutern lassen.